Totholz? – von wegen: Hier tobt das pralle Leben!

In der ursprünglichen Naturlandschaft war abgestorbenes Holz in erheblichen Mengen vorhanden. Wo so ein enormes Biomasse-Angebot in Form von Alt- und Totholzbiotopen vorhanden ist, haben sich im Laufe der Evolution eine große Zahl von Lebewesen spezialisiert, diese als Lebensgrundlage zu nutzen. Dabei kommt es nacheinander zu einer Abfolge von unterschiedlichen Lebensgemeinschaften.


Phase 1: Abgestorbene Stämme oder Äste, die anfangs noch aufrecht stehen. Sie weisen Sonnen- und Schattenseiten auf. Regen läuft oberflächlich herunter und trocknet schnell ab. Dieses „stehende Totholz“ bietet Tieren einen Aufenthaltsort, die an ein trockenwarmes Mikroklima angepasst sind. Insekten (meist Käferlarven) nagen Bohrgänge in Rinde und Holz. Später ziehen in diese Lochfraßgänge andere Insekten (z.B. Wildbienen) ein. Der populäre Begriff „Insektenhotel“ ist nicht abwegig. Tatsächlich wird ein Bohrloch, sobald es wieder frei wird (weil sich in den Brutkammern aus Larven flugfähige Insekten entwickelt haben), bald von Folgemietern anderer Arten als Brutplatz besetzt. Viele Jahre lang. Ein Teil dieser vielen Insekten dient Vögeln als Futter.

Phase 2: Am Boden liegendes abgestorbenes Stammholz.  Nachdem eine Windböe das morsch gewordene stehende Totholz zu Fall gebracht hat, stellt sich am Boden liegend dort ein feuchtes Mikroklimaein. Je nach Besonnung bilden sich warme und kalte Holzbereiche. Dann ändert sich die Lebensgemeinschaft grundlegend. Nun erfolgt eine Besiedlung durch Pilze und eine Vielzahl anderer Gliedertiere wie Tausendfüßer, Insekten, Spinnen, Asseln sowie Schnecken. Unterschlupf und Nahrung für Kröten, Molche, Eidechsen, Mäuse, Spitzmäuse und Igel. Auch Vögel und Marderartige suchen hier bevorzugt Beute.

Phase 3: Der Zerfall zu Humus. Bis eine umgestürzte Buche oder Fichte zu 90% verrottet ist, vergehen im Durchschnitt 72 Jahre. Danach liegt ein günstiges Keimbett für neuen Baumwuchs vor. Der Kreislauf des Lebens schließt sich. Im Laufe des Absterbens und Zerfalls eines Baumes leben u.U. mehr Arten in ihm als zuvor während des Wachstums zu einem stattlichen Baum. Somit sorgt ein Baum in jeder Phase seines Daseins für eine Steigerung der Biodiversität.
Abgestorbene Starkäste und Stämme müssen teilweise aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht entfernt werden. Werden diese stehend wie ein Pfahl eingegraben, stellt dies eine erhebliche Bereicherung für das Ökosystem dar, weil der Kreislauf des Werdens und Vergehens vollständig vor Ort ist. Größte Bedeutung haben dabei möglichst große dicke Stammabschnitte.

Das Totholz nicht zu verbrennen, sondern als Biotopstruktur zu bewahren, trägt sehr effektiv zum Klimaschutz bei, weil der eingelagerte Kohlenstoff über Jahrzehnte gebunden ist.